Ein Engel auf meinem Weg...
 
(diese Geschichte hat sich genauso zu getragen)
 
Der Himmel war strahlend blau und in der Sonne war es noch richtig warm. Allerdings wehte schon mal so hin und wieder ein kleines eiskaltes Lüftchen, manch mal richtig unangenehm und auch die Temperatur im Schatten ließ den nahen Winter schon ziemlich deutlich ahnen. Die Rebberge leuchteten in allen nur erdenklich warmen Farbtönen, von gelb über orange bis hin zu rosa, blutrot, dunkelrot, braun, doch hier und dort sah man sogar noch recht viele grüne Flächen dazwischen. Diese hohen Berge, im Hintergrund, mit kaum vorstellbaren  Formen und Gebilden, diese schroffen, bizarren und teilweise nackten, aber an einigen Plätzen schon leicht mit Schnee bestäubten Felsen, ragten hoch in den tiefblauen Himmel hinein. Meine so geliebten Berge wirkten stolz und erhaben, überaus gigantisch in diesem Licht der tief stehenden Sonne des Herbstes. Die klare Luft erweckte den Eindruck, als ständen die Berge viel Näher als sonst und sie waren überdies ein wunderschöner und dennoch herber Kontrast, zu diesem wundervollen bilderbuchhaften Herbstbild, welches sich dem empfindsamen Betrachter bot. Die Welt um mich herum sah wirklich bezaubernd schön und hinreißend aus und sie berührte mich tief im Innern. Eigentlich war es ein Tag zum Spazierengehen, aber die Ruhe und Zeit dazu wollte ich mir nicht gönnen, denn es wartete ein Manuskript auf mich, an dem ich bereits seit einigen Tagen geschrieben hatte, das wollte ich gerne fertigstellen. Ich war in einem guten Schreibfluss, wie man es so sagt und es wäre schade, wenn ich den „Faden“ zu dieser schönen Geschichte verlieren würde. So entschied ich mich gegen einen Spaziergang. Aber ich wollte über dem IPad weiterschreiben, da konnte ich mich in meinem bequemen Sessel ans Fenster setzen und mich wenigstens so ab und zu in diesen wunderschönen Herbsttag hinaus träumen. Mein Lebensgefährte hat sich unterdessen entschlossen zu einem Fussballspiel vom Sohnemann zu fahren. Vorher wollte er aber  zum Friedhof gehen und unser Hund Mowgli sollte ihn begleiten. So verabschiedeten wir uns von einander und er ging zur Tür hinaus. Kaum war er draussen begab ich mich an meine Geschichte. Ich machte es mir in meinem Sessel bequem, schaute noch einmal ein wenig traumverloren nach draussen, mit einem kurzen dankenden Blick in den Himmel – denn es war wirklich ein fantastischer Anblick, der sich mir bot. Dann schlug ich den IPad auf und startete mein Schreibprogramm. Voller Freude und Wohlbehagen wollte ich nun in aller Stille ans Werk gehen, doch was war jetzt los? Wo waren all meine vielen Ideen, diese Gedanken, die ich zu der Geschichte im Kopf abgespeichert hatte. Mein Kopf war plötzlich wie leer gefegt. All die schönen Gedanken, die ich zu besagter Geschichte niederschreiben wollte, waren einfach ausgelöscht. Ich versuchte mich zu konzentrieren, aber es gelang mir nicht. Immer wieder funkte eine innere Stimme dagegen, sobald ich glaubte einen „Faden“ zu der angefangenen Geschichte gefunden zu haben. Diese Stimme war nicht auszuschalten, permanent redete sie auf mich ein. Diese innere Stimme hinderte mich am Nachdenken. Immer wieder sagte mir diese Stimme, ich solle ihm (meinem Lebensgefährten) hinterher gehen und ihn begleiten. Seit wir zusammen leben, in all den Jahren sind wir immer gemeinsam zum Fussballspiel gegangen und haben während des Spieles jedes Mal über dieses und jenes diskutiert, vordergründig natürlich über das aktuelle Spiel. Ich sträubte mich, der inneren Stimme zu folgen, weil ich mich für die Fertigstellung meiner Geschichte entschieden hatte. Aber diese Stimme wurde lauter und sogar vorwurfsvoll. Sie rief Bilder in mir wach, da sah ich meinen Lebensgefährten allein unter vielen Menschen am Rande des Fussballfeldes stehen. Mowgli sass neben ihm, ihnen war kalt und mein Lebensgefährte fühlte sich einsam. „Das hatte er schon“, sagte mir die innere Stimme. „er ist nicht gerne alleine, du solltest ihn begleiten, ihr gehört jetzt zusammen und solltet jeden Weg gemeinsam gehen. Du weisst doch, wie sich Einsamkeit in mitten von vielen Menschen anfühlt.“ Diese blöde innere Stimme hatte ja irgendwie recht. Nach dem Tod unserer beiden Partner mussten wir beide dieselbe Erfahrung machen: Ohne seinem geliebten Partner, der uns durch den Tod genommen wurde, fühlte man sich immer allein, egal wo man war und wievielte Leute anwesend waren an der Seite. „ Du tust Gutes, wenn du gehst, los beeil dich, dann triffst du ihn, du weisst doch wo er lang geht, welchen weg er nimmt“ so redete die innere Stimme weiter. Mein Kopf wollte das nicht hören, denn ich wollte schreiben. Die innere Stimme wurde richtig zornig und schrie mich an:“ Los jetzt, schreiben kannst du immer noch, vor allem werden genügend Schlechtwettertage anstehen, das ist deine Zeit zum schreiben!“ Irgendwie war ich nun aufgeschreckt, hatte keine Ruhe mehr, noch länger in der Wohnung zu bleiben. So ging ich zur Garderobe und zog Schuhe und Mantel an. Kurz entschlossen nahm ich Candy an die Leine, denn ich entschloss mich, sie mit zu nehmen. Sie war schon ganz aufgedreht von der Beobachtung wie ich mich anzog und der stillen Hoffnung, dass ich sie mitnehme..
Mit zittrigen Knien ging ich so schnell ich konnte zum Haus hinaus und meinen Lebensgefährten entgegen. Natürlich trafen wir uns und er war erstaunt und hatte überhaupt nicht mit mir gerechnet. Als er mich aus der Ferne sah, hat er mich zunächst gar nicht wirklich wahr genommen, wahrscheinlich weil er einfach nicht erwartet hatte, dass ich mich dazu entscheiden würde ihn zu begleiten. Er wusste ja von meiner Schreiberei und meinem Vorhaben.
Wie gross seine Freude über meine Meinungsänderung dann schlussendlich war, wie sehr ich ihn überrascht hatte, dass tat er dann abends noch etliche Male den Kindern gegenüber kund. So fuhren wir also gemeinsam zum Fussballfeld hinaus. Wir waren viel zu früh dort, doch das bot uns die Möglichkeit, unsere beiden kleinen Rabauken noch einmal frei auf dem grossen Platz mit dem weichen Rasen herum tollen zu lassen. Oh, was hatten diese Beiden für eine Freude! Sie sprangen und rannten, dass man glauben konnte, ihnen seien Flügel gewachsen. Es machte einen riesigen Spass diese beiden weissen Wollknäuel, wie ich unsere beiden kleinen Hunde immer scherzhaft nenne, zu beobachten. Ich spürte eine unglaubliche innere Zufriedenheit und war so froh und glücklich, dass ich mich letztendlich doch noch dazu entschlossen hatte, meinen Lebensgefährten zum Fussball zu begleiten. Wir trafen viele Bekannte, begrüssten uns, doch dann ging jeder seines Weges, denn wir hatten unseren Standplatz schon ausgewählt. Tatsächlich hätte mein Lebensgefährte allein in der Menge gestanden – umso besser dass ich jetzt da war, dachte ich so bei mir. Dann war es soweit, wir sahen die Spieler aus den Kabinen kommen und schnell riefen wir unsere beiden Hunde zu uns, um sie wieder anzuleinen. Wir gingen an den Rand des Spielfeldes, an unserem Stehplatz in den Zuschauerbereich. Unsere Hunde schiene richtig glücklich zu sein und Candy wälzte sich voller Freude im weichen Gras, als müsse sie ihre glücklichen Gefühle, ihre Fröhlichkeit noch einmal damit unterstreichen. Sie konnte nicht genug bekommen von dem weichen Untergrund und reckte und streckte ihre Glieder dabei immer wieder der Sonne entgegen. Amüsiert beobachtete ich sie und hatte meinen Spass dabei das mit anzusehen. Ach, es ist doch schön, dass ich hier bin und das alles erleben darf dachte ich im Stillen bei mir. Mein Blick hing noch immer bei Candy, die in ihrem Wälzen in dem weichen Gras einfach kein Ende finden konnte. Plötzlich sah ich etwas Glitzerndes neben ihrem Kopf. Ich bückte mich und sah, dass es etwas fein Silbriges war. Zuerst dachte ich an ein kleines Schmuckstück in Form eines Schmetterlings. Doch als ich es aus der Erde gezogen hatte und in den Händen hielt, sah ich, dass es ein wunderschöner silberner Engel war. Mir stockte der Atem, ich bekam eine dicke Gänsehaut. Mitten im Gras auf einer grossen Fläche lag ein kleiner Engel, den ausgerechnet ich gefunden hatte, obwohl schon viele, viele Menschen an ihm vorbei gegangen und über ihn hinweg gestiegen sind. Auf seinem Kleid war ein Herz eingestanzt und der Kopf mit einem Swarowski - Stein geziert. Die Flügel sind ganz filigran gearbeitet und er sah, obwohl er etwas in der Erde gesteckt hatte, überhaupt nicht beschädigt aus. Mein Lebensgefährte spürte wohl etwas von meinem Getue wegen des Engels, schaute sich nach mir um und fragte was wäre. Ich zeigte ihm den Engel, sagte ihm, dass ich ihn gerade gefunden habe und deutete dabei auf die Stelle wo er lag. Mein Lebensgefährte wurde sehr aufmerksam und meinte, dass sei aber komisch, wirklich sehr merkwürdig. Nun ja, er kennt meine Beziehung zu Engeln. Ich sah seine Verwunderung in seinem Gesicht, doch er wendete sich alsbald wieder dem Spiel zu. Ich drückte den kleinen Engel fest an mein Herz und schaute dabei dankbar himmelwärts. Ich wusste auch ohne innere Stimme, dass es sich um ein Zeichen handelt. Die innere Stimme meldete sich tatsächlich noch einmal, sanftmütig, aber laut:“ Siehst du, ich habe dir gesagt geh mit, nun weisst du warum…“
 
In diesem Sinne
herzlichst Merlin

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